Zwanzig Jahre sind genug.
Also fast eine Generation lang habe ich mit Binnen-I gegendert.
Mit der Zeit ist es mir ins Blut übergegangen.
War es anfangs noch eine Aufregerin…
(Ich sag ja, es ist mir schon ins Blut übergegangen 😉 Nein, Scherz beiseite: so „schlimm“ ist es bei mir noch nicht 😉)
Also: War das Gendern anfangs noch ein Aufreger, der beim Lesen irritierte und schlicht auf ein Problem aufmerksam machen wollte, wird das Gendern und die Gleichstellung von Frauen und Männern in unserer Sprache zunehmend eine Selbstverständlichkeit.
Jedoch nicht bei allen:
Manche Sprachkonservierer*innen wollen Sprache „einfrieren“, übersehen dabei aber völlig, dass sich Sprache immer schon gewandelt hat.
Man schlagenach bei den Gebrüder Grimm, die 1878 das Wort „Gästin“ in ihr Wörterbuch aufnahmen.
Warum überhaupt gendern?
Ich bin fest überzeugt, dass Sprache unser Denken beeinflusst und umgekehrt.
Schließlich bringen wir mit Sprache unsere Gedanken, Meinungen sowie Werte zum Ausdruck. Das ist die Grundlage unserer Handlungen.
Und das alles ist ein Leben lang bzw. über Generationen hinweg in Fluss.
Irgendwann war es mir einfach leid als Frau „mitgemeint“ zu sein
Ich maturierte in den Neunzigern in einer Klasse mit 17 Mädchen und 1 Burschen. Wir waren Schüler.
Ich arbeitete in einer PR- und Werbeagentur – deutlich mehr Frauen als Männer im Team. Wir waren geschätzte Mitarbeiter.
Da fragte ich mich dann schon irgendwann mal:
Warum soll ich mich dauernd nur „mitgemeint“ fühlen?
Gottseidank hat sich in den letzten Jahrzehnten bei Frauenrechten einiges Richtung Gleichstellung und Gleichberechtigung verändert.
Warum soll sich das bitte nicht in der Sprache auswirken?
Heute ist das Gendern für den Großteil der Bevölkerung normal.
Ein Gewöhnungseffekt bei der Lesbarkeit ist eingetreten.
Das Gehirn nimmt die „neue“ Schreibweise also irgendwann dann doch automatisch wahr.
Zudem mach(t)en sich viele Unternehmen Gedanken, wie sie bei ihrer schriftlichen Kommunikation mit dem Gendern umgehen wollen.
So sind die Schreibweisen beim Gendern vielfältiger geworden.
In Texten sieht man alles:
- Kundinnen und Kunden (ausführliche Doppelnennung)
- Kund/innen (Schrägstrich)
- KundInnen (Binnen-I)
- Kund*innen (Sternchen)
- Kund_innen (Unterstrich = Gap)
- Kund:innen (Doppelpunkt)
- Sparschreibung: Strenge Lektor*innen werden diese Schreibweise bei Kund*innen übrigens nicht durchgehen lassen, da „Kund“ kein eigenständiges Wort ist und somit nicht gegendert werden kann. Trotzdem sieht man diese Sparschreibung immer häufiger. Ich verwende sie gerne in meine eigenen Blogtexten.
Warum ich künftig das Gendersternchen schreibe
In meinen wöchentlichen Arbeitstreffen mit Dani Jakwerth und Petra Salmutter – die beiden kenne ich von der Schreibtrainer*innen-Ausbildung am writers‘ studio – haben wir immer wieder mal über das Thema Gendern, Inklusion und Sprache diskutiert.
Dani übersetzt beruflich aus dem Englischen, wo man sich mit einfachen Mitteln geschlechtsneutral ausdrücken kann – was auf Deutsch nicht einfach abzubilden ist. Sie kennt sich daher unheimlich gut mit diesem Thema aus.
(Auf ihrer Website findet sich übrigens ein nützlicher Wegweiser zum Gendern sowie Infos über ihre Workshops dazu).
Sie hat mir puncto sprachliche Gleichbehandlung meinen Blick weiter geöffnet:
Umfasst das Gendern mit Sternchen doch auch Menschen, die sich nicht als Mann oder Frau identifizieren – also solche mit anderen Geschlechtsidentitäten (nicht-binäre Personen) oder intergeschlechtliche Personen. Außerdem fungiert das Sternchen in diversen Programmiersprachen als Platzhalter für „alles andere“. Somit können sich alle anderen als Männer angesprochen fühlen.
Gendern mit Sternchen
Beim Schreiben bin ich in letzter Zeit immer öfter über das Binnen-I gestolpert.
Das Binnen-I stellt Frauen und Männer in der Sprache gleich – alle anderen (auch wenn es nur eine Minderheit ist) sind bestenfalls mitgemeint.
Früher wollte ich nicht länger mitgemeint sein und mittlerweile meine ich andere Menschen mit.
Das Mitmeinen bzw. das Nicht-Nennen ist aber eine Form der Diskriminierung. Gegen die jede*r von uns sehr leicht was machen kann.
Daher geh ich nun einen Schritt weiter und lass mein gewohntes Binnen-I zurück und werde in meinen künftigen Texten mit * gendern.
(Und irgendwie schaut das Gendern mit Sternchen zudem hübscher aus beim Schreiben, finden Sie nicht auch?)
© canva
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Duden: Geschlechtergerechter Sprachgebrauch
Wenn Sie’s genauer wissen wollen:
Duden: Richtig gendern – ein Ratgeber für die Anwendung geschlechtergerechter Sprache
Österreichische Gleichbehandlungsanwaltschaft: Geschlechtersensible Sprache
Genderdings.de: Aufklärung zu Gender, Geschlechterrollen und brauchbare Argumente gegen viele Vorurteile
Wie halten Sie es mit dem Gendern? Tun Sie es? Wenn ja, wie?
Ich freu mich auf Ihren Kommentar!
Ich nutze inzwischen den Doppelpunkt, der auch alle „normalen“ Menschen mitmeint. Sorry, das war Ironie. Denn „mitmeinen“ funktioniert halt nicht.
Für den Doppelpunkt habe ich mich entschieden, weil der bei der Vorlesefunktion, die Menschen mit visuellen Einschränkungen nutzen, einfach als kleiner Stopp im Wort hört wird, was einfach besser klingt als „Kund-Sternchen-innen“.
Viele liebe Grüße, Eva
Liebe Eva, danke für deinen Hinweis, dass der Doppelpunkt weniger verwirrend in der Vorlesefunktion ist!
Das war mir leider nicht bewusst … Ist aber wichtig für ein barrierefreies Internet!
LG Eva
Danke für den Einblick! Ich hab aus ähnlichen Gründen mit dem Binnen-i aufgehört und nutze jetzt den Doppelpunkt. 🙂
Liebe Julia,
ich bin neugierig: Warum hast du dich für den Doppelpunkt entschieden?
LG Eva
Wie immer ein interessanter Blogbeitrag. Ich habe mich entschieden mit Doppelpunkt zu gendern. Warum? Auf unserer Website gibt es sogenannten Sternchentext „*“ Ergänzende Hinweise bei Produkt- und Preisangeboten, daher Doppelpunkt. Mache ich jetzt in meinen E-Mails seit 3 Wochen und passt für mich. Website kommt dann später dran 🙂
Hast Du an Doppelpunkt auch gedacht oder was spricht gegen Doppelpunkt?
Danke für deine Gedanken!
Ich muss zugeben: Sehr intensiv habe ich nicht über den Doppelpunkt nachgedacht, hab mich irgendwie mehr zum * hingezogen gefühlt.
Aber der Doppelpunkt wird immer beliebter.
Wer weiß, vielleicht gendere ich in Zukunft dann auch mal mit Doppelpunkt … 🙂
Liebe Eva,
danke für den guten Input. Ich werde deinen Blog zum Anlass nehmen, zukünftig ebenfalls nur noch mit dem * zu gendern 🙂
Liebe Claudia,
ja, manchmal braucht es einen konkreten Anlass wie ein Gespräch oder einen Blogartikel 🙂
Spannender Zugang, ich danke dir dafür. Ich grübele auch schon länger drüber nach.
Arbeitest du jetzt alle bestehenden Texte um oder genderst du nur in den neuen Texten mit *?
Ich lasse die bestehenden Texte mal so stehen wie sie sind 😉
Manche Blogartikel werde ich sowieso mal überarbeiten und aktualisieren, da werde ich sie dann mit * gendern.
Ja, ich gendere auch mit *. Sprache ist Macht, wie wir uns ausdrücken sagt viel über uns aus, und natürlich auch darüber wie wir denken. Wenn ich durch mein gendern ein bisschen dazu beitragen kann, das sich mehr Menschen angesprochen und verstanden fühlen, dann mache ich es gerne❤️.
Liebe Karin,
ja, so sehe ich das auch: Sprache ist mächtig und wir haben’s in der Hand wie unsere Kommunikation und unser Miteinander ausschaut!
LG Eva